Neue Chancen für den (Bio-)Handel – vier Retail-Trends im Profil
Wie muss sich der Markt künftig aufstellen, um den Konsumenten von morgen zu erreichen? Handels-Zukunftsforscherin Theresa Schleicher zeigt in der „Zukunftsstudie Handel 2024“, wie sich Marken zukunftsweisend ausrichten können.
Inflation und Fachkräftemangel – vor allem mit diesen beiden Herausforderungen hat der (Bio-)Handel zu kämpfen. Zudem ändern sich die Ansprüche der Verbraucher stetig, es werden mehr und mehr nachhaltige Angebote eingefordert. Hier setzen die aktuellen Retail-Trends an. „Die definierten Retail-Trends können ganz konkret Orientierung in den dynamischen Handelsmärkten geben“, erläutert Handels-Zukunftsforscherin Theresa Schleicher im Retail Report 20231. In der neuen „Zukunftsstudie Handel 2024“ porträtiert sie die zentralen Retail-Trends 20242. Generell stellt sie fest: „Die Zukunft für den Markt ist das regenerative Wachstum.“
Vier ausgewählte Retail-Trends 2024 im Profil:
1. Regenerative Business Models – mehr geben als nehmen
Regenerative Geschäftsmodelle heben nachhaltiges und zirkuläres Handeln noch eine Stufe höher. Sie halten die Folgen ihres Handelns für die Umwelt nicht nur möglichst gering, sondern schaffen zusätzlich positive Auswirkungen. Bäume pflanzen zur Kompensation reicht nicht mehr. Stattdessen braucht es den richtigen Umgang mit Ressourcen und Materialien sowie eine Produktion, die Ökosysteme im Kreislauf wieder aufbaut. So können beispielsweise Inhaltsstoffe von Alltags- und Beautyprodukten ihren Teil dazu beitragen, Ökosysteme wie Korallenriffe zu regenerieren.
2. Om:line Retail – Entschleunigung im Online-Handel
Während der Online-Handel in den letzten zehn Jahren von enormem Wachstum und Hyper-Convenience getrieben war, wird er in Zeiten des regenerativen Wachstums langsamer, hochwertiger und somit (wirtschaftlich) fokussierter. Theresa Schleicher erklärt: „Das Prinzip des ‚online günstiger‘ kommt im E-Commerce langsam an seine Grenzen, das Wachstum stagniert. Was der Online-Handel aber vor allem künftig braucht, ist eine Entschleunigung. Wichtig werden gute Produkte, transparente und nachhaltigere Lieferzeiten. Aufklärung über die Herstellung und soziale Innovationen, z. B. die klare Nutzung von Mehrweg, unverpackten oder regionalen Produkten.“
3. Das neue Regional – Diversität und Vielfalt im stationären Handel
Regionale Herstellung und lokale Produkte sind für viele Kunden der Kern des nachhaltigen Handelns. Und das hat nichts mit Verzicht zu tun. Internationalität und kulturell neue Geschmäcker sind auch hier möglich. Denn mit der steigenden Diversität in Deutschland und Österreich auf dem Konsum- und Arbeitsmarkt wächst die Nachfrage nach internationalen Angeboten. So entstehen neue, nachhaltig regionale Einflüsse. Ingwer aus Bayern oder Quinoa aus dem Rheinland sind vereinbar mit dem Anspruch an nachhaltigen und diversen Konsum.
4. Zero Waste Design – weniger ist mehr
In der Verpackungsindustrie vollzieht sich ein Wandel. Politische Gesetze wie die Mehrwegangebotspflicht verändern das Bewusstsein der Konsumenten und sollen den Verpackungsmüll reduzieren. Eine Erhebung in der Zukunftsstudie auf Basis von Greenpeace zeigt, dass speziell Lebensmitteleinzelhandel und Markenhersteller in vielen Kategorien 70 bis 90 Prozent der Verpackungen einsparen können. Aber es geht künftig nicht mehr ausschließlich um eine Reduktion von Verpackung, sondern um einen ganzheitlichen, kreislauforientierten Ansatz von Produktdesign über Verkauf bis Rücknahme. Bisher die größte Herausforderung: Die Rückgabe- bzw. Mehrfachnutzungssysteme in Einklang mit dem Alltag der Verbraucher zu bringen. Schleicher erklärt: „Das liegt zum einen daran, dass Konsumierende jahrzehntelang To-Go gelernt haben – es war bequem. Und nun muss man sich erst einmal daran gewöhnen, den Becher oder das Behältnis mitzubringen bzw. dafür Pfand zu zahlen. Veränderung holt uns aus unserer Komfortzone und sie braucht Zeit. Zudem gibt es noch keine smarte einheitliche Lösung, sodass man die Behältnisse einfach – wie auch die Pfandflaschen – an zahlreichen Stellen zurückgeben kann, sei es in Supermärkten, Bahnhöfen, Shoppingcentern, Fußgängerzonen. Das spiegeln auch die Hauptbarrieren der Kunden: unbequem durch fehlende Standards und zu wenige Abgabemöglichkeiten, sodass man auch nach Konsum die Behälter tragen muss. Außerdem zu hohe Preise bei den Verpackungen sowie bei Produkten zum Refill, die in manchen Handelsbranchen noch teurer auf den Kilopreis sind, als verpackte Einweg-Produkte.“
Auffällig ist bei allen in der Zukunftsstudie vorgestellten Trends eines: in erster Linie fordern die Konsumenten ein Weniger. Weniger Flächen, weniger Produkte, weniger Händler. Im Fokus stehen dabei die Reduzierung von Abfällen, Verpackungen und Überproduktion sowie die Neuentwicklung von zirkulär gedachten Produkten und Services, die nicht nur gut recycelt werden können und Ressourcen schonen, sondern Ökosysteme sogar neu aufbauen. Wenn sich der Bio-Handel an diesen Tendenzen ausrichtet, hat er eine gute Chance, den Konsumenten von morgen zu erreichen.
Quellen:
[1] Schleicher, T. (2022). Retail Report 2023.
[2] Schleicher, T. & Seitz, J. (2023). Die Zukunftsstudie Handel 2024. www.zukunftsstudiehandel.de/
3 Fragen an …
Zukunftsforscherin, Autorin & Expertin für den (Bio-)Handel
Theresa Schleicher
„Bio-Produkte und Nachhaltigkeit werden in Zukunft den größten und existentiellsten Stellenwert haben“