3 Fragen an …
19.12.2023

3 Fragen an …

Zukunftsforscherin, Autorin & Expertin für den (Bio-)Handel Theresa Schleicher

Portrait Handels-Zukunfts-Expertin Theresa Schleicher

„Bio-Produkte und Nachhaltigkeit werden in Zukunft den größten und existentiellsten Stellenwert haben“

1. Das Shoppingverhalten der Konsumenten hat sich in den letzten Jahren besonders stark verändert. Was sagen Sie als Expertin für die Zukunft des Retails: Wie muss sich der Handel künftig aufstellen, um den Konsumenten von morgen zu erreichen?

Künftig braucht es vor allem weniger. In einer Erhebung meiner neuen Zukunftsstudie1 sagten 2.000 Konsument:innen in Deutschland und Österreich, das Zukunftsstärkste, was der Handel bis 2030 machen kann, ist 20 % weniger: 20 % weniger Produkte, weniger Hersteller, weniger Filialen und weniger Händler. Wir müssen wegkommen von einem Überangebot, vom Überfluss hin zu mehr Fokus. Bei 1,3 Mrd. Tonnen Lebensmittelabfällen und 5,8 Mio. Tonnen Textilabfällen allein in der EU sollte das aber ein positives Zeichen sein. Die Menschen werden bewusster, das bietet dem Handel neue Chancen, wirtschaftlich zu agieren und Dinge abzuschneiden.

2. Der Bio-Fachhandel steht unter dem Druck Marktanteile an den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel zu verlieren. Wie steht es Ihrer Meinung nach um den Bio-Handel und was muss er ändern, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Der Biofachmarkt, der Discounter und der klassische Supermarkt nähern sich auf Konsument:innen-Brille immer mehr an – nur Bio-Produkte im Fachmarkt zu bieten reicht nicht mehr aus. Gerade in Zeiten von Inflation fragen sich die Konsumierenden, was die Bio-Produkte im Bio-Fachhandel, Supermarkt und Discounter unterscheidet. Und greifen, wenn das nicht klar ersichtlich ist, im Zweifel zum günstigsten Produkt. Hier gilt es weiter, Aufklärungsarbeit zu leisten, klar und transparent zu kommunizieren. Wichtig ist zudem, den Fachhandel an Netto-Null-Zielen auszurichten und auch bei der Auswahl der Produkte auf neue, regenerative (Landwirtschafts-) Praktiken zu achten. Also Landwirtschaft, die bei der Herstellung und dem Transport ökologisch agiert. Was ein großes Thema ist: Verpackungen! Diese sind ein großer Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft. Es ist gut, ein Bio-Produkt zu kaufen, aber nicht in einer überdimensionierten Plastikverpackung – dafür haben Konsumierende immer weniger Verständnis.

3. Der Community-Ansatz – Mitmachsupermärkte wie Super Coop in Berlin oder das Food Hub in München werden als vielversprechende Bio-Handel-Alternativen zum klassischen Bio-Fachhandel diskutiert2  – Welche Erfolgschancen rechnen Sie diesem Differenzierungsmodell langfristig aus?

Diese Formate sind super, um gerade Menschen in der Stadt näher an die Herstellungsbedingungen der Produkte zu bringen. Transparenz ist höchstes Gebot, somit wird vielen Menschen erstmals klar, wie viel Arbeit, wie viel Schweiß, Liebe und handwerkliches Geschick von Nöten ist, um ein bestimmtes Produkt dann im Supermarktregal und schließlich auf dem Teller zu haben. Auch wenn die Margen offengelegt werden, trägt das zu einem Bewusstsein der wahren Kosten von Waren bei. Es sind Nischenkonzepte, die wichtig sind für die Aufklärung, um eine neue Nähe zu erzeugen, zu den Dingen, die wir konsumieren. Denn die Krisen und damit verbundenen Preissteigerungen beeinflussen das Konsumverhalten massiv. Bio-Produkte und Nachhaltigkeit werden in Zukunft den größten und existenziellsten Stellenwert haben.

Quellen:

[1] Schleicher, T. & Seitz, J. (2023). Die Zukunftsstudie Handel 2024. www.zukunftsstudiehandel.de/

[2] Rüschen, S. & Schumacher, J. (2023). Zeitenwende im Bio-Fachhandel. Schriftenreihe Handelsmanagement Whitepaper #27. DHBW. https://handel-dhbw.de/schriftenreihe/whitepaper/zeitenwende-im-bio-fachhandel/

Autor

Sofia Macarro

Sofia Macarro

PR-Beraterin | modem conclusa gmbh