3 Fragen an... Tina Andres
Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)
1. Das Kongress-Thema der BIOFACH 2024 rund um die transformative und gestaltende Kraft von Frauen lag Ihnen besonders am Herzen. Warum?
Das Thema Frauen und wie wir die Welt verändern, wie wir auf die Welt blicken, findet noch viel zu wenig Raum, vor allem auch in der Politik. Es gibt mehr und mehr Frauen in Führungspositionen, aber es gibt immer noch sehr, sehr wenige Frauen in wirklich entscheidenden politischen Positionen. Mir wurde das klar, als ich meine erste Einladung zu einem Verbändetreffen der Lebensmittelverbände in das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bekam. Etwa 20 Verbände in Deutschland und die Anrede lautete “Sehr geehrte Frau Andres, sehr geehrte Herren”. Und so blieb das in ganz vielen Zirkeln.
Ich sehe auch in der Biobranche, dass es unheimlich viele engagierte Frauen gibt. Aber tatsächlich sind viele unserer Vorstände nach wie vor hauptsächlich männlich. Ich glaube, Frauen blicken ganz anders auf Nachhaltigkeit und Ernährungssysteme. Und dieser Input, diese Ideen, wie wir Nachhaltigkeit voranbringen wollen, müssen einfach mehr Gehör finden. So viele nachhaltige Bewegungen sind inzwischen von Frauen getrieben, man denke an den Vegan-Trend oder an Fridays for Future. Frauen sind treibende Kräfte für Nachhaltigkeit.
2. Das Thema ökologischer Landbau begleitet Sie schon viele Jahre. Ihr Weg war bestimmt oftmals steinig und auch heute als Vorständin beim BÖLW ist es sicher nicht immer leicht. Was treibt Sie an?
Wir müssen unser Ernährungssystem dringend verändern. Die globalen Ernährungssysteme geben 30 % Input in den Klimawandel und unendlich viel mehr trägt der Ernährungssektor zum Artensterben bei. Das muss sich verändern. Es gibt so viele Beharrungskräfte, die nicht wollen, dass sich an diesem System etwas ändert, weil einige daran gut verdienen. Aber es gibt Generationen, die später den Preis dafür zahlen werden. Das ist erstens nicht generationengerecht und zweitens wissen wir alle: es ist nicht mehr 5 vor 12 – 12 Uhr ist längst vorbei. Das ist meine Antriebskraft, im BÖLW tätig zu sein und zu versuchen, zu verändern, was ich verändern kann.
3. Welche Rolle spielen die Außer-Haus-Verpflegung und die BIOFACH auf dem Weg zu 30 % Bio bis 2030?
Ich glaube, wir müssen Außer-Haus-Verpflegung als ein übergeordnetes politisches Ziel sehen, denn wir müssen unsere Menschen besser ernähren. Wir haben hohe Kosten im Gesundheitssektor, die auf Fehlernährung, schlechte Ernährung, Überernährung und Mangelernährung im Sinne von Vitaminen und positiven Inhaltsstoffen zurückgehen. Das ist volkswirtschaftlich nicht länger hinzunehmen. Bio ist ein unglaublich gutes Vehikel dafür. Aber vor allem geht es um gutes Essen, Genuss und dass die Menschen begreifen, wie gesunde Nahrung überhaupt schmeckt. Viele kennen das gar nicht mehr. Und deswegen ist Außer-Haus-Verpflegung so wahnsinnig wichtig. Wir müssen anfangen, Küchen und Speisepläne umzustellen: es gibt hervorragende Beispiele dafür, wie das funktioniert. Kostenneutral für die Kunden mit einem relativ geringen Input durch die staatlichen Institutionen – Dänemark macht es vor.
Die BIOFACH ist der Ort, wo all die Akteure, die das liefern können, zusammenkommen, sich gegenseitig inspirieren und wo neue Netzwerke gegründet werden. Und wo sich Caterer oder Einkäufer orientieren können: Wo kriege ich regionale Bio-Produkte her? Es gibt neue Großhandelszusammenschlüsse, die überregional regional-bio versorgen können. Wir haben in den Außer-Haus-Panels schon festgestellt: es gibt ein wahnsinniges Interesse daran. So langsam kommt in den Kantinen und in den Küchen an, dass es auch anders geht. Und ich glaube, wer sein Handwerk liebt – und Köche lieben ihr Handwerk in aller Regel – wird große Freude daran finden, neu zu kochen.