Make-up meets virtuelle Welt
09.11.2023 Non-Food / Kosmetik

Make-up meets virtuelle Welt

Welche Naturkosmetik-Marke betritt als erste das Metaverse?

Projektion auf Frau mit Smartphone und Smartbrille

Spätestens seit sich der Facebook Konzern im Herbst 2021 in Meta umbenannt hat, beschäftigt der Begriff „Metaverse“ die Fachwelt und verursacht so manch kühne Spekulation. Die Analysten von McKinsey & Company kommen zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass das Metaverse das Potenzial habe, bis zum Jahr 2030 einen Wert von bis zu 5 Billionen US-Dollar zu erreichen – also zu groß sei, um es zu ignorieren1.  „Das Metaverse stellt einen strategischen Wendepunkt für Unternehmen dar und bietet eine große Chance, die Art und Weise, wie wir leben, uns vernetzen, lernen, innovieren und zusammenarbeiten, zu beeinflussen“, sagt Dennis Spillecke, Leiter der Growth, Marketing & Sales Practice in Westeuropa bei McKinsey. Einige konventionelle Kosmetikhersteller haben das bereits erkannt, aber unter den Vertretern der Naturkosmetik sind die Plätze für die Pioniere noch zu vergeben.

[1] Quelle: www.mckinsey.com/de/news/presse/2022-06-21-metaverse

Potenziale des Metaverse: Wenn aus Science-Fiction Realität wird

 

Die Idee des Metaverse ist nicht neu und findet ihre Wurzeln in der Science-Fiction-Literatur der 1950er Jahre. In dem 1992 erschienen Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson wird dann zum ersten Mal der Begriff „Metaverse“ als Beschreibung einer virtuellen, realen Parallel-Welt genutzt. Vereinfacht gesagt, bezeichnet er eine Art kollektiven virtuellen Raum, der durch die Konvergenz von physischer und digitaler Realität geschaffen wird. In diesem virtuellen Universum können Nutzer durch Avatare interagieren und sogar digitale Güter kaufen und verkaufen. Die Grundlage des Metaverse bilden Technologien wie Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Blockchain.

Das Metaverse wird oft als die nächste Generation des Internets betrachtet und hat die Fähigkeit, die Art und Weise, wie wir interagieren und Geschäfte tätigen, grundlegend zu verändern. Selbst wenn die meisten Metaverse-Welten Stand heute noch im Comic-Look daherkommen und wie eine neue Spielerei im World Wide Web wirken – statt ernstzunehmender technologischer Fortschritt – wird Joost van Dreunen, Professor an der NYU Stern School of Business, nicht müde zu erinnern: „Lange Zeit bezeichnete man Autos als pferdelose Kutschen oder Mobiltelefone als schnurlose Telefone. Wir bewegen uns vorwärts, indem wir in den Rückspiegel schauen. Wir definieren das Neue in Bezug auf das Alte. Das ist in der Regel jedoch nur eine Phase. Mit der Zeit entwickelt sich das weiter – und das Neue wird zu etwas Eigenem.“

Die Bedeutung des Metaverse geht also über reine Unterhaltung hinaus. Es bietet die Möglichkeit, soziale, berufliche und wirtschaftliche Aktivitäten in einer immersiven und interaktiven Weise zu erleben. Damit könnte das Metaverse perspektivisch auch für die Naturkosmetikbranche eine Plattform bieten, auf der Verbraucher Produkte künftig virtuell erleben, testen und kaufen können. Schließlich ziehen bereits heute bis zu 60 Prozent der Millenials Käufe in virtuellen Welten in Betracht2.

 

Das Metaverse nicht den konventionellen Kosmetik-Brands überlassen

Die Entfaltung des Metaverse bringt eine Fülle von Möglichkeiten mit sich, die die Methodik, wie wir interagieren und Geschäfte tätigen, revolutionieren könnten. Ein Kernaspekt ist die Schaffung immersiver Erfahrungen: Durch VR- und AR-Technologien können Nutzer in virtuelle Welten eintauchen und Produkte in einer 3D-Umgebung erleben, bevor sie einen Kauf tätigen. In der traditionellen Kosmetikbranche haben schon einige Marken Metaverse-Erfahrung gesammelt, unter anderem L'Oréal, Clinique und Buxom.

 2 Quelle: www.snipp.com/cosmetics-industry-trends

Maybelline New York und L'Oréal Professionnel Looks für Ready Player Me Maybelline New York und L'Oréal Professionnel Looks für Ready Player Me 

1. Case-Study Metaverse: L'Oréal x Ready Player Me

L'Oréal hat bereits mehrere Metaverse-Projekte gestartet. Eins davon ist die Partnerschaft mit der spieleübergreifenden Avatar-Plattform Ready Player Me. Die zwei L'Oréal Marken Maybelline New York und L'Oréal Professionnel stellen dafür exklusive Make-up- und Haarstyles für die Avatar-Erstellung auf Ready Player Me bereit. Damit machen sie diese mehr als 4.000 Plattformen und Apps weltweit verwendbar. Für die außergewöhnlichen Looks arbeitete L'Oréal mit renommierten Make-up- und Hairstylisten sowie 3D-Künstlern zusammen. „Wir glauben, dass die Zukunft der Schönheit physisch, digital und virtuell sein wird“, sagt Asmita Dubey, Chief Digital & Marketing Officer der L'Oréal-Gruppe.

Nahloses virtuelles Clinique Lab Nahloses virtuelles Clinique Lab

2. Case-Study Metaverse: Clinique x Journee

Mit der Unterstützung des mehrfach ausgezeichneten Berliner Start-ups Journee hat der amerikanische Kosmetikhersteller Clinique eine virtuelle Welt in seinen Online-Shop integriert: The Clinique Lab. Wenn man Journee fragt, was am Metaverse von Clinique besonders ist, klingt das so: Es verbindet „zum ersten Mal qualitativ hochwertiges, live gerendertes, gamifiziertes Massen-Multiplayer-3D mit der Kraft des E-Commerce“ – oder einfacher: die Verknüpfung von Online-Handel und virtuellen Welten ohne absatzhemmende Medienbrüche. „Im Gegensatz zu unseren Einzelhandelsgeschäften ist das virtuelle Labor eine offene Welt ohne physische Grenzen, die unendliche Möglichkeiten für Design und Storytelling bietet“, sagt Charmi Panchal, Executive Director of Global E-Commerce bei Clinique.

BUXOM Cosmetics PlumpVerse BUXOM Cosmetics PlumpVerse 

3. Case-Study Metaverse: Buxom Cosmetics x Decentraland

Im Buxom PlumpVerse, einer virtuellen Markenwelt innerhalb eines der größten Metaverse-Portale Decentraland, konnten Nutzer Anfang 2023 für sechs Monate die Kosmetik Brand Buxom erkunden, mit ihr interagieren und an Gamification-Erlebnissen teilnehmen. Highlights waren dabei das Freischalten von Belohnungen und das virtuelle Anprobieren neu eingeführter Buxom Produkte mithilfe eines AR-Filters.

Wirtschaftlich betrachtet, bietet das Metaverse erhebliche Chancen: Virtuelle Geschäfte und Dienstleistungen könnten neue Einkommensquellen erschließen und gleichzeitig die Markenpräsenz und Kundenbindung fördern. Die Möglichkeit, virtuelle Boutiquen zu eröffnen, in denen Verbraucher Produkte erleben können, bevor sie sie kaufen, könnte auch für Naturkosmetikmarken ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell darstellen, das bisher offensichtlich noch nicht genutzt wird.

Die Möglichkeiten des Metaverse für die Naturkosmetikbranche

Das Metaverse kann die Naturkosmetikbranche durch die Schaffung einzigartiger, interaktiver Plattformen für Produktpräsentationen, Tests, Vertrieb und Bildung revolutionieren. Verbraucher könnten in virtuellen Schönheitssalons und -läden zusammenkommen, sich über Produkte austauschen, gemeinsam virtuelle Make-up-Tutorials ansehen oder sogar an virtuellen Schönheitswettbewerben teilnehmen. So ließe sich eine engere Verbindung zwischen den Verbrauchern und den Marken fördern und gleichzeitig eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten schaffen. „Das Metaverse ist im Allgemeinen ein sozialer Raum und nicht, wie manch einer denken mag, eine virtuelle Welt, in der man sich von anderen Menschen abschottet“, bestätigt René Schulte, Metaverse Expert beim Metaverse-Dienstleister reply.

Darüber hinaus wäre es denkbar, dass das Metaverse den Zugang zu Bildung und Training erleichtert, indem es virtuelle Schulungsplattformen für die neuesten Trends und Techniken in der Naturkosmetikbranche bietet. Diese könnten sowohl für Verbraucher als auch für Fachleute in der Branche zugänglich gemacht werden und so zur Weiterbildung und zum besseren Verständnis der Vorteile und Anwendungen von Naturkosmetik beitragen. Virtuelle Touren durch nachhaltige Produktionsstätten oder interaktive Lernmodule über die Vorteile von Naturkosmetik wären Ansätze, um das Bewusstsein für ökologische Kosmetik zu schärfen und die Markenloyalität zu fördern.

Ganzheitlich betrachtet: die Schattenseiten des Metaverse

Das Metaverse öffnet eine Tür zu neuen Märkten und Geschäftsmodellen für Hersteller und Händler von Naturkosmetik. Durch die Schaffung virtueller Boutiquen und Erlebniszentren könnten Marken eine engere Verbindung zu ihren Kunden aufbauen und ihnen ermöglichen, Produkte in einer neuen, interaktiven Umgebung zu erleben. Die Entwicklung authentischer und wertvoller virtueller Erfahrungen erfordert jedoch teils erhebliche Investitionen in Technologie, Design und Kreativität. Darüber hinaus sind Fragen der Datensicherheit und Privatsphäre von Bedeutung. Denn im Metaverse werden eine enorme Menge an Daten generiert, und der Schutz dieser Daten ist entscheidend, um das Vertrauen der Verbraucher nicht zu gefährden. Auch die Energiebilanz der Metaverse-Präsenzen lässt sich heutzutage – zum Glück – nicht mehr einfach unter den Teppich kehren.

„Im Gegensatz zu den übertriebenen Erwartungen, die oft verbreitet werden, ist zu beachten, dass sich das Metaverse noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Die Technologie und Infrastruktur müssen weiterentwickelt werden, um die volle Realisierung des Metaverse zu ermöglichen“, erklärt Elmar Arnunov, Research Lead Metaverse bei der Deutschen Telekom und Autor von „Die Metaverse (R)evolution – das virtuelle Ökosystem“. Die Metaverse-Technologie ist also komplex und ihre vollständige Umsetzung steht noch aus. Doch die Vision ist groß und verspricht ein nahtloses Eintauchen in virtuelle Welten, das die Grenzen zwischen Realität und digitaler Simulation verschwinden lässt.

In dieser neuen Welt sollten auch die Prinzipien der nachhaltigen und natürlichen Kosmetik auf innovative Weise präsent sein, statt den konventionellen Marken das Feld zu überlassen. Vielleicht erleben wir bereits auf der internationalen Fachmesse für Naturkosmetik VIVANESS, die vom 13. bis 16. Februar 2024 in Nürnberg stattfindet, die ersten Ankündigungen oder Präsentationen in diese Richtung?

Autor

Elfriede Dambacher

Elfriede Dambacher

Inhaberin von naturkosmetik konzepte, internationale Branchenexpertin und Buchautorin